Es bleiben also einerseits die Alpen als „kulturell konstruierte Sehnsuchtslandschaft", als Ort der Naturbegegnung der erholungssuchenden städtischen Bevölkerung, andererseits die Alpen als Lebens- und Wirtschaftsraum der indigenen Bevölkerung. Spannend sind unterschiedliche Nutzungsinteressen vor dem Hintergrund der zukünftigen Entwicklung des Alpenraumes, die der Alpenforscher Bätzing als zwischen "Freizeitpark und Wildnisgebiet" liegend darstellt. Die Rolle des Naturraums in dieser Vision ist relativ klar, aber welche Rolle weisen wir der Bevölkerung der Alpentäler dabei zu? Die politische Dimension der Frage ist schnell beantwortet: Nach Bätzing leben nur ein Prozent der Menschen in den Alpen über 1500 Meter, und nur sieben Prozent über 1000 Meter. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Talschlüsse haben demnach keinen maßgeblichen Anteil an den Wählerstimmen. Wenn es nach der Mehrheit geht, werden die Interessen der indigenen Alpenbewohner also nicht gehört, und die Menschen in den Städten können nach dieser Logik getrost verlangen, die Bergwelt nach ihren Vorstellugen zu gestalten. Bei aller Unterschiedlichkeit der Interessen und Sichtweisen ist jedoch eines klar: Die Berge gehören uns allen - nicht. Sie gehören sich selbst. Wir können uns alle an ihnen freuen, ihre Gletscher staunend betrachten, aber festhalten oder für uns behalten können wir sie nicht.
— Alpengletscher by Andrea Fischer, Bernd Ritschel (Page 246 - 247)