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Thomas Galli: Weggesperrt (2020, Edition Körber-Stiftung) 5 stars

Wann nützen Gefängnisse und wo richten sie Schaden an? Der Rechtsanwalt und ehemalige Gefängnisdirektor Thomas …

Der Begriff der Schuld impliziert eine Exklusivität, die nicht existiert. Überträgt man einer Person die Schuld, müssen andere, für die Tat womöglich Mitverantwortliche diese Verantwortung nicht tragen. So ist der eine schuldig, die anderen bleiben unschuldig. Damit lassen wir all jene sozialen Ursachen oder Verursacher außer Acht, die in den meisten Fällen zu der Entscheidung des Täters beitrugen.

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Schuld bedrückt und löst Angst aus. Schuld gilt als schlecht und wertet uns ab. Schuld können wir nur als Ausnahme akzeptieren, Verantwortung dagegen als Regel. Verantwortung ist viel weniger exklusiv. Ab einem bestimmten Alter sind wir grundsätzlich verantwortlich für alles, was wir tun oder unterlassen. Darüber herrscht Konsens. Uneinigkeit besteht nur darüber, wer wofür verantwortlich ist. Verantwortung füreinander zu übernehmen wertet uns auf und macht uns frei, sie kann sogar stolz machen.

Es ist durchaus möglich, dem Täter seine Tat vorzuwerfen, indem man ihn für seine Entscheidung in die Verantwortung nimmt. Ein Schuldgefühl beim erwachsenen Täter lässt sich durch Strafe ohnehin nicht bewirken - Reue noch viel weniger. Schuldgefühl und Reue können meist nur unabhängig von der strafenden Maßnahme entstehen. Schuld und Vergeltung lassen kaum Raum für Freiwilligkeit und Einsicht, die Übernahme von Verantwortung kann zwar erzwungen werden, aber eben auch freiwillig erfolgen.

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