Gute Übersicht über ÖVP-Korruption - eher durchwachsene Beschreibung der Ermittlungen
4 stars
Zusammenfassung: Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Zuerst wird Christian Pilnaceks Tod im Detail besprochen. Dabei rekonstruiert Peter Pilz die letzten Stunden vor dem Tod und alle Ermittlungsschritte die in den Stunden und Tagen danach folgen. Außerdem werden die diversen Obduktionsberichte genau besprochen. Im zweiten Teil folgt eine Art Lebenslauf aller Posten die er inne hatte und vor allem eine genaue Abhandlung aller Korruptionsvorwürfe die gegen Pilnacek erhoben wurden und wie diese mit Politikern in Zusammenhang stehen.
Meinung: Ich muss sagen Teil 1 fand ich eher durchwachsen. Pilz hat es nicht geschafft hier Struktur ins Buch zu bringen. Ständig wurden dieselben Punkte unnötig wiederholt (Stichwort Handy und Laptop). Er ist hier zudem oft vor und zurück gesprungen in der Zeitleiste, was zusätzlich verwirrend war. Er hat aber gut die Versäumnisse der Ermittler aufgezeigt und hat auch gezeigt, wie diese etwa die unabhängige Beschauärztin unter Druck gesetzt haben.
Viel besser fand ich da den zweiten Teil. Dadurch dass Pilz die Daten aus Pilnaceks Laptop nach dessen Tod auswerten konnte, konnte er die vielen Korruptionsaffären und -vorwürfe mit Whatsapp-Nachrichten von Pilnacek und der beteiligten Personen aufarbeiten und belegen. Es macht mich als Staatsbürger wirklich wütend wie sich die ÖVP hier anscheinend seit Jahrzehnten ein System der Korruption aufgebaut hat und ihre Leute in allen Bereichen der Macht untergebracht hat um diese leichter vertuschen zu können. Mein Vertrauen in die Justiz ist hier stark erschüttert, wenn man liest wie die WKSta systematisch ausgebootet und auch bekämpft wird, nur damit die "richtigen" Staatsanwälte die brisanten Fälle "bearbeiten" (also nicht weiter verfolgen) können.
Über dem gesamten Buch schwebt hier natürlich die große Frage: "War es wirklich Selbstmord?". So richtig glauben kann man es nicht, wenn man die genauen Umstände kennt. Dass er sich im seichten - nicht mal Hüft-tiefen Wasser das Leben genommen hat, scheint eher unwahrscheinlich. Vieles wurde zudem einfach verabsäumt zu untersuchen, ein (unglücklicher) Unfall fast systematisch ausgeschlossen. Dass Sebastian Kurz öffentlich kurz darauf den Selbstmord verkündet, obwohl die Ermittlungen noch nicht mal richtig begonnen haben, befeuert natürlich die Spekulationen. Und diese Spekulationen sind auch Grundlage dieses Buchs. Peter Pilz spielt stark mit Vermutungen und "Was wäre wenn"-Annahmen, insinuiert wer wie von seinem Tod profitiert hätte. So ganz abgeholt hat mich das aber nicht immer. So viel Beweise Pilz auch für die Korruptionsaffären bringt, für einen Mord an Pilnacek, gibt es einfach zu wenig.