Dann geschieht etwas Außergewöhnliches. Die Ratten, die die Studenten für schlauer und schneller halten, schneiden besser ab. Es ist fast magisch. Die "intelligenten" Ratten, die in Wirklichkeit überhaupt nicht schlauer sind, erzielen fast doppelt so gute Ergebnisse wie die "dummen" Ratten.
[...] Rosenthal kam dahinter, dass die Art und Weise, wie seine Studenten die "intelligenten" Ratten berührten - liebevoller, sachter, erwartungsvoller -, das Verhalten der Ratten veränderte. Und in der Folge schlossen sie dann auch besser ab.
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Rosenthal nennt seine Entdeckung den "Pygmalion-Effekt" nach dem mythologischen Künstler, der sich so sehr in die Frauenstatue verliebte, die er selbst angefertigt hatte, dass die Götter beschlossen, sie zum Leben zu erwecken. Der Pygmalion-Effekt erinnert an den Placebo-Effekt, über den ich schon im 1. Kapitel geschrieben habe. Nun reden wir aber nicht von einer Erwartung, die uns selbst nützt. Es ist eine Erwartung, die anderen weiterhilft.
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Der böse Bruder des Pygmalion-Effekts ist der Golem-Effekt, benannt nach der jüdischen Legende eines Wesens, das geschaffen wurde, um die Bewohner von Prag zu beschützen, das sich jedoch in ein Monster verwandelte.
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Der Golem-Effekt ist eine Art Nocebo. Ein Nocebo, das schlechte Schüler noch weiter zurückfallen lässt, Obdachlosen die Hoffnung nimmt und einsame Teenager radikalisieren kann. Es ist eine der Möglichkeiten, bei denen Rassismus seine Wirkung entfaltet: Menschen, von denen weniger erwartet wird, leisten weniger und schneiden dann auch noch schlechter ab. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass der Golem-Effekt ganze Organisationen in den Abgrund ziehen kann, wenn sich die negativen Erwartungen häufen.